Vereinsfahrt nach Evian-les-Bains: „Klimaschutz geht uns alle an!“

Neckargemünder und Evianer Bürger diskutierten über Klimaschutzmaßnahmen in den beiden Städten

Empfang der deutschen Delegation im Rathaus von Evian-les-Bains durch Viviane Viollaz (rechts), Stellvertreterin der Bürgermeisterin Josiane Lei. Foto: privat

(Förderverein Städtepartnerschaft Neckargemünd - Evian-les-Bains e.V.) Vom 30.09.-03.10. besuchte eine Reisegruppe des Fördervereins Städtepartnerschaft Neckargemünd – Evians-les-Bains die französische Partnerstadt am Genfer See und nutzte die Gelegenheit zu einem intensiven Programm und regen Austausch mit seinem Partnerverein, dem Deutsch-Stammtisch aus Evian. Die Fahrt wurde unterstützt durch einen Zuschuss des Deutsch-Französischen Bürgerfonds, der mit Mitteln der beiden Staaten Projekte fördert, welche die deutsch-französische Freundschaft und Europa in der Breite der Bevölkerung erlebbar machen. Während der Sonntag der Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte und insbesondere dem Widerstand gegen die deutsche Besatzung im 2. Weltkrieg gewidmet war, ging es am Montag vor allem um die Gegenwart, die in den beiden Partnerstädten Neckargemünd und Evian einen großen Einsatz gegen den Klimawandel und für eine nachhaltige Entwicklung erfordert. Diese Frage sollte anhand konkreter Maßnahmen vor Ort aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger erörtert werden.

Zunächst allerdings wurde die deutsche Reisegruppe, verstärkt durch einige französische Freunde, im Rathaus von Evian empfangen. Die Begrüßung nahm Viviane Viollaz vor als Stellvertreterin der leider durch eine kurzfristig angesetzte Videokonferenz verhinderten Bürgermeisterin Josiane Lei. Sie freute sich sehr, dass nach Jahren des Corona-bedingten Stillstands die Städtepartnerschaft nun durch verschiedene Bürgeraktionen, etwa zum Karneval, und den wieder aufgenommenen Schüleraustausch neu belebt wird. Ebenfalls beim Empfang dabei war auch Laurent Dufour, der persönliche Referent der Bürgermeisterin. Als die Deutschen hier erfuhren, dass gleichzeitig in Evian die "Semaine européenne du développement durable" stattfindet, an der sich die Stadt Evian mit insgesamt sieben Veranstaltungen beteiligt, luden sie die Offiziellen aus Evian zu der thematisch passenden Abendveranstaltung ein; spontan sagte daraufhin Herr Dufour seine Teilnahme zu.

Um 18:00 Uhr führte zunächst Jean-Michel Henny vom Deutsch-Stammtisch durch die architektonisch und stadtgeschichtlich bedeutsame Villa de Châtelais in Evian, ein Zeugnis der Lebensweise der Belle Époque. Die Villa dient heute als privat betriebenes Kultur- und Veranstaltungszentrum, das beispielsweise für klassische Musik und philosophische Vorträge genutzt wird. Henny zeigte das prachtvolle Gebäude, das auch als perfekter Rahmen für private Feste und Hochzeiten dient. Anschließend wurden im großen Salon der Villa dann zwei Vorträge entwickelt aus der Bürgerschaft gehalten, welche die Situation vor Ort in den beiden Partnerstädten beim Klimaschutz und der Nachhaltigen Entwicklung beleuchteten. Dabei kam ein originelles Konzept zum Tragen, um mit dem Problem der Zweisprachigkeit praktisch umzugehen und langwierige Übersetzungen von Texten zu vermeiden: Die Präsentation aus Neckargemünd, verfasst von dem Neckargemünder Klimaaktivisten Thomas Schmitz, war in Deutsch gehalten, so dass die nicht so gut französisch sprechenden Teilnehmer den Sinn verstanden, vorgestellt wurde sie aber in französischer Sprache von Jean-Michel Henny. Umgekehrt stellte Thomas Schmitz auf Deutsch die französische Präsentation von Jean-Michel Henny vor. Schon allein aus diesem Vorgehen ergab sich eine fundiertere wechselseitige Wahrnehmung der Situation in den beiden Ländern.

Jean-Michel Henny (links) bei seiner Führung durch die Villa de Châtelais (hinten). Foto: privat

Grundtenor der Präsentation aus Neckargemünd, die eine Vielzahl von Aktivitäten in den vergangenen 20 Jahren und von laufenden Projekten und Planungen der Kommune aufzeigte, war der Appell, dass Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung kein „politisches“ Projekt im engeren Sinne und keine Angelegenheit des Staates oder der Kommune seien, sondern vielmehr eine Aufgabe für jeden Einzelnen: „Klimaschutz geht uns alle an!“ Das wird schon allein dadurch unterstrichen, dass mehr als 3/4 der CO2-Emissionen von Neckargemünd in den privaten Haushalten entsteht, durch Heizung, Strom und den Individualverkehr, während der Anteil der städtischen Immobilien nur wenig mehr als 2% beträgt. Insofern wurde das freiwillige und ehrenamtliche Engagement vieler Neckargemünder Bürger, beispielsweise im Klimaschutzbeirat oder in der Bürgersolarinitiative, herausgestellt – tatsächlich befanden sich in der Neckargemünder Reisegruppe mit Dr. Bernd Jahnke und Winfried Schimpf weitere zwei Aktivisten. Die Präsentation listete die Aktivitäten auf den Gebieten der Energieeinsparung, der erneuerbaren Energie, des Verkehrs, der regionalen Wirtschaft, des Waldschutzes und der Klimafolgenvorsorge in Neckargemünd auf. Kritisch wurde angemerkt, dass oftmals unterschiedliche Interessen gegeneinanderstehen (z.B. in Fragen des Verkehrs, der Waldnutzung oder bei der Windkraft), und dass derzeit noch ein genaues Monitoring fehlt, um die tatsächlichen Fortschritte auf den verschiedenen Gebieten messen zu können. Jean-Michel Henny griff als besonders beeindruckendes Beispiel das Neckargemünder Schulzentrum heraus, zum Zeitpunkt seiner Errichtung die größte Schule Europas im energiesparenden Passivhaus-Standard.

Bei der Präsentation der entsprechenden Aktivitäten der Stadt Evian wurde deutlich, dass sich zahlreiche Maßnahmen ähneln und ebenso die Probleme bei der Umsetzung. So wird auch in Evian in den städtischen Gebäuden Heizenergie eingespart, werden Elektrofahrzeuge beschafft und Solaranlagen auf Dächer gesetzt, allerdings sind hier die Bürger noch nicht in derselben Intensität einbezogen. Wichtiges Thema in Frankreich ist die inzwischen vollzogene Mülltrennung sowie die Aufbereitung von Abfällen der Landwirtschaft zu Biogas in einer großen Anlage im Umland von Evian. Als wichtigste Aufgabe, die aber bei der Umsetzung auch die größten Probleme bereitet, wird in Evian die Reduzierung des Autoverkehrs gesehen. So gibt es beispielsweise Pläne zur Förderung des Fahrrad- und Fußverkehrs, die geplanten Radspuren (auf Kosten der Autofahrbahnen) sind aber wenig populär und auch noch nicht realisiert. Immerhin wurde jetzt im Stadtzentrum ein Fahrradparkhaus errichtet und es gibt einen städtischen Zuschuss für die Anschaffung eines E-Bikes. Eine Besonderheit der Region ist die gemeinsame Initiative zum Schutz des Wassers „Cluster Eau Lemanique Evian“ zusammen mit 23 Umlandgemeinden bis in die Schweiz hinein. Wasser kommt in der Region in vielfältiger Form vor, als Schnee in den Bergen, Hochmoor, Mineralwasser, Trinkwasser und in Form des Genfer Sees. Wasser ist auch wichtig als Verkehrsweg und als Kühlwasser für Kernkraftwerke. Der Klimawandel gefährdet dies alles, so ist der Zufluss der Rhône aus der Region so stark gesunken, dass der Betrieb der AKWs im Rhônetal gefährdet ist. Die Wasserversorgung in Zukunft zu bewahren und das Trink- und Seewasser vor den schädlichen Einträgen aus Landwirtschaft und Zivilisation (Zigarettenkippen!) zu schützen, ist das Ziel dieser Cluster-Initiative, die neben den Gebietskörperschaften auch Unternehmen und Umweltgruppen umfasst. Eine Delegation aus Evian hat diese Initiative unlängst sogar auf einer UNO-Konferenz in New York vorgestellt.

Die Geehrten nach der Diskussionsveranstaltung in der Villa de Châtelais (vlnr): Anselme Paccard, Thomas Schmitz, Petra Kohl, Jean-Michel Henny, Hanna Delamarre und Joachim Bergsträsser. Foto: privat

Die vielen Anregungen aus den beiden Vorträgen wurden anschließend noch lebhaft unter den anwesenden Deutschen und Franzosen bei einem kleinen Umtrunk weiter diskutiert, den der Deutsch-Stammtisch zur Verfügung gestellt hatte. Zuvor allerdings bedankte sich Joachim Bergsträsser, Vorsitzender des Fördervereins Städtepartnerschaft Neckargemünd - Evian, bei den Personen, die zum Gelingen dieser Vereinsfahrt in besonderer Weise beigetragen hatten, mit einem kleinen Präsent: das waren auf Neckargemünder Seite die zweite Vorsitzende Petra Kohl, die die Reiseorganisation übernommen hatte, sowie Thomas Schmitz mit seinem Vortrag, auf Evianer Seite Hanna Delamarre, die vor Ort organisiert hatte, sowie Anselme Paccard und Jean-Michel Henny mit ihren inhaltlichen Beiträgen. Dass diese Fahrt ein voller Erfolg war und viele neue Erkenntnisse gebracht hat, war das einmütige Bekenntnis aller, die dabei gewesen sind.